Nach entmutigenden Rückschlägen schnell wieder kraftvoll nach vorne schauen

Gutes Timing für das Thema: Ich bin derzeit entmutigt. Ich hatte eine fantastische Woche – bis Donnerstag. Dann wurde ich zweimal entmutigt und war zwei Tage krank. Und heute wieder entmutigt, auch wenn es eine relative Kleinigkeit war. Aber kennst Du das? Wenn Du sowieso schon „down“ bist, dann ist jede Kleinigkeit eine Katastrophe.

Jetzt habe ich aber diesen wunderbaren Vorteil, hierüber zu schreiben und mache das zu einer Selbstcoaching-Gelegenheit. Ich hoffe, es hilft Dir, „dabei zu sein“. Wenn Du magst, kannst Du gleich mitmachen. Dann wird aus einem Blog ein kleines Resilienz-Training.

Was passiert bei mir, wenn ich mich entmutigen lasse?

  • Es geschieht etwas, das mich irgendwie enttäuscht. Es kommt z. B. ein „Nein“, wenn ich mich auf ein neues Projekt gefreut hätte. Oder jemand, der etwas zugesagt hatte, das mir wichtig war, sagt ab.
  • Und letzte Woche kam es noch etwas dicker: es kam noch etwas dazu. Kennst Du das? Du kannst an der Situation nichts machen. Du fühlst Dich dann total fremdbestimmt.
  • Auch für das dann folgende Gedanken-Karussell bin ich prädestiniert. Hier habe ich allerdings inzwischen viel Erfahrung, die mir auch heute wieder hilft. Später mehr dazu.
  • Eine starke innere Stimme sagt: „Hör auf zu arbeiten, lenk Dich mit irgendeinem Blödsinn ab.“ Eine nicht zu überhörende sagt auch: „Gib auf.“ Die Emotionen gehen in Richtung geknickt, Scham, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe (Stop – das ist kein Gefühl, sondern eine auf verkopfte Emotionen basierende selbstzerstörerische Strategie! Die Gefühle hinter Selbstvorwürfen sind oft Scham und Hilflosigkeit)
  • Wenn ich jetzt nicht aufpasse, schwanke ich eine Weile zwischen Dümpeln und Grübeln hin und her, schaue immer mal wieder in die Mails, auf den Feed bei Linkedin…

Wie helfe ich mir nun?

  1. Ich erlaube mir, das alles zu reflektieren. Ich schaue mir an, was ich denke und fühle. Allerdings nehme ich dabei gleich zur Kenntnis, dass meine Selbstvorwürfe und meine „Im Nachhinein weiß ich es besser“ – Schleifen einfach nur Gedanken sind, und keine im gegenwärtigen Moment relevante Realität beschreiben. Was getan ist, ist getan. Das Gleiche gilt für Rachegelüste & Co. gegenüber Anderen. Die Gefühle sind allerdings Realität. Deshalb erlaube ich sie auch.
  2. Aber dann komme ich sofort in die Gänge. Ich bringe mich in den gegenwärtigen Moment. Das heißt vor Allem: Ich schaue, wie es mir körperlich geht. Der Körper ist je bekanntlich immer im Hier-Jetzt, der Geist nie. Gern mache ich an dieser Stelle einige energetisierende Körperübungen: Stretching, intensive Atemübungen (derzeit z. B. nach Wim Hoff) oder Tai Chi / Qi Gong. Oder ich gehe spazieren oder mache meinen anstehenden Workout. Nicht schlecht ist auch ein Gespräch mit einer befreundeten Person, aber ohne über mein Desaster zu sprechen. Damit frische ich meine Energiereserven auf. (Keine Zeit für eine Pause? Frage Dich, was wichtiger ist: Pause machen und raus aus dem Teufelskreis oder stur weiterdümpeln?)
  3. Ich frage mich jetzt, was wichtig ist. Damit schaffe ich Klarheit. Im ersten Schritt über die übergeordnete Richtung, in die es gerade für mich geht. Beruflich habe ich für dieses Jahr 5 große Ziele und für jedes Ziel fünf große Projektaufgaben (die ich natürlich nicht alle gleichzeitig bearbeite 😉). So bewahre ich die Perspektive und weiß: das kann ich ja nicht erreichen, wenn ich jetzt aufgebe. Und: Das WERDE ich erreichen, auch wenn ich gerade entmutigt bin. Allein das bringt mich schon in ein neues Gesamtgefühl.
  4. Nun frage ich mich, was jetzt als nächstes ansteht, um die Richtung meiner Ziele zu arbeiten. Damit schaffe ich Klarheit über meine nächsten anstehenden Schritte. Bevor ich anfing zu schreiben, habe ich mein Journal wie jeden Morgen genommen und aufgeschrieben, worauf ich heute fokussieren will. In Bewegung kommen, ins Tun kommen.

Einige wichtige Punkte, die wir dabei berücksichtigen wollen:

  • Erwarte nicht, dass Entmutigung nicht mehr passiert. Egal, wie geübt Du in diesen Methoden bist. Übe Dich darin, die Situation zu meistern, während Du sie erfährst. Dann werfen die Situationen Dich nicht mehr so sehr aus der Bahn. Und vor Allem nicht mehr für so lange Zeit. Aber erwarte nicht, dass ein Wunder passiert und Du kein emotionales Gehirn mehr hast 😊
  • Du kannst Entmutigung auch „vorbeugen“. Sei Dir bewusst, was Du gestalten kannst und was nicht. Wenn Du zu sehr hoffst und Dein Glück von Dingen abhängig machst, die nicht in Deiner Kontrolle sind, machst Du Dich schnell zum Opfer einer Entmutigung.
  • Du kannst eine Enttäuschung auch so interpretieren, dass das Problem nicht in der Situation, sondern in Deiner Erwartung an sie liegt. Die Konsequenz dieses Gedankens: Du hast das Steuerrad in der Hand, zu bestimmen, wie groß der Grad der Entmutigung ist. So zu denken tut zwar oft weh – wir übernehmen ja MEHR Verantwortung -, aber dafür haben wir auch mehr in der Hand.

Ich sage nicht, das sei alles leicht. Es ist „echt fortgeschrittene“ Selbstführung. Aber sehr wirksam. Das Ergebnis der Übung nenne ich „Resilienz“. Dieser Trendbegriff beschreibt kurz gesagt die Fähigkeit, an Rückschlägen zu wachsen.

Was ist an einem resilienten Menschen eigentlich anders?

Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Glauben sind resiliente Menschen weder unsensibel noch „abgehärtet“. Im Gegenteil: Besonders resiliente Menschen sind sehr empfänglich und haben ein gutes Gespür für herausfordernde Dynamiken und Situationen.

Der große Unterschied ist, dass sie nicht davor zurückweichen, sondern auf sie zugehen. Zur Veranschaulichung habe ich dafür oben die vier Schritte erklärt. Wenn Du vor einer Herausforderung zurückweichst oder sie ganz versuchst zu vermeiden (was oft gar nicht geht), kannst Du sie natürlich nicht meistern. Und Du kannst nicht an ihr wachsen.

Aber das emotionale Gehirn ist stark. Und des Menschen primäre unbewusste Handlungsmotivation ist immer die Vermeidung von negativen Erlebnissen wie Schmerz und als zweite Priorität das Suchen von positiven Erlebnissen von Lust / Freude / Vergnügen. Entmutigung entsteht, wenn das emotionale Gehirn ein starkes Signal schickt: „Vorsicht, Schmerz voraus, bitte vermeiden.“ Die folgenden Verhaltensimpulse sind normal – nur nicht hilfreich.

Denn wir verwechseln dabei schnell, dass es nicht um die Vermeidung des GEFÜHLS geht, sondern um die Vermeidung einer SITUATION. Oft vermeiden wir eine Situation, die uns viel Gutes bringen könnte, nur weil das assoziierte Gefühl so unangenehm ist: Um Hilfe bitten, ein Verkaufs- oder Feedbackgespräch führen usw.

Resiliente Menschen wissen, wie sie beides auseinanderhalten können. Sie sind bereit, unangenehme Gefühle auszuhalten und sich nach vorne schauend durch Herausforderungen zu navigieren.

In meinem Beispiel ist es gerade so: Keine der entmutigenden Szenarien lassen sich ändern. Nach vorne schauend gibt es nichts, was zu vermeiden wäre (etwa ein echtes Risiko). Ich kann aber, im besten Fall, für zukünftige Kooperationen und Projekte aus den entmutigenden Erfahrungen lernen. Und jetzt höre ich auf, sie „entmutigend“ zu nennen. Denn meine Bewertung hat sich während des Schreibens schon geändert. Entmutigend sind sie nur, wenn ich die Situationen als Beweis für die eigene Inkompetenz (das wäre unfair und nicht realistisch) oder dafür, dass niemand in der Welt vertrauenswürdig ist (muss ich dazu noch was sagen?) sähe.

Resiliente Menschen sind hellhörig, wenn ihr Kopf solche unrealistischen Katastrophen-Interpretationen konstruiert. Sie lachen dann über ihren Kopf, legen die Bewertung beiseite und wenden sich nach vorne.

Resiliente Menschen denken nicht erst an Resilienz, wenn es stressig wird. Sie sind immer für Herausforderungen und auch Rückschläge eingestellt.

Das erreichen sie, indem sie folgende Qualitäten priorisieren:

  • Sie haben eine Klarheit über die große Richtung und die großen Ziele, und über das „why“ zu diesen Zielen. Eine besonders wirksame Art, das zu erreichen ist die Arbeit mit „Motto-Zielen“ (Züricher Ressourcen-Modell)
  • Sie kennen ihre eigenen Stärken und wissen, welche Stärken bei Rückschlägen und Entmutigung besonders wichtig sind.
  • Sie sind vertraut mit ihren automatischen Mustern im Denken, Fühlen und Verhalten. Sie wissen, wie sie verhindern können, dass diese begrenzenden Muster unter Stress die Kontrolle übernehmen und ihre Handlungen dominieren.
  • Sie haben ein Growth-Mindset, also die Fähigkeit, daran zu glauben, aus ihren Erfahrungen lernen und wachsen zu können. Sie sehen auch Rückschläge als Lernchancen.
  • Sie verleugnen ihre „Vermeidungsemotionen“ zwar nicht, wissen aber vor Allem, wie sie positive Emotionen erzeugen können.
  • Sie fokussieren auf das, was in ihrem Wirkungsspielraum liegt, und arrangieren sich mit dem, was sie nicht gestalten können.
  • Sie wissen, dass ihre emotionale, mentale und körperliche Energie die Grundlage für Höchstleistung ist, insbesondere in besonders schwierigen Situationen. Deshalb sorgen sie für ihren Energiehaushalt.
  • Sie verstehen, dass die Mentalität und die Aufmerksamkeit nicht von selbst kultiviert werden. Deshalb haben sie Mentaltraining-Routinen und – Strategien.

Bitte beachte zum Schluss noch diese beiden Resilienz-Mythen

  • Resilienz heißt „Ich bin der Fels in der Brandung“. Nein! Der Fels ist starr, unflexibel, und mit der Zeit höhlt der stete Tropfen den Stein. Eine viel bessere Metapher ist für mich der flexible Bambus. Such Dir eine eigene Metapher. Mache Dir bewusst, welche Qualitäten die Metapher haben soll, bevor Du eine kontraproduktive Denkweise installierst.
  • Du brauchst ein Talent für Resilienz. Einerseits zeigt die aktuelle Forschung, dass unsere Empfindlichkeit bei Stress teils schon genetisch während der Schwangerschaft vorgeprägt ist. Andererseits zeigen Studien, dass die Art, wie wir anschließend mit Herausforderungen umgehen, davon abhängt, wie wir sie angehen und vor allem, wie oft wir uns ihnen auf konstruktive Weise stellen. Resilienz ist auch wie ein Muskel. Sie ist trainierbar. Das Training ist nur vor Allem am Anfang unbequem. Aber das ist Krafttraining auch.